Kapitel I
Als Bilder begannen, mir etwas zu bedeuteten
Lesedauer: 7 Minuten
Als mir Bilder plötzlich etwas bedeuteten
Nicht jeder wächst mit dem festen Plan auf, einmal Fotograf zu werden. Eine Kamera mit zwölf, ein glasklares Ziel vor Augen – all das war bei mir nicht der Fall. Ganz im Gegenteil.
Ich bin durch einige Stationen gegangen – Bundeswehr, Chemie, Weiterbildungen, Jobs, die mehr mit Organisation als mit Kreativität zu tun hatten. Und doch gab es immer diese leisen Momente, irgendwo zwischen Alltag, Arbeit und Reisen, in denen mich eine Szene einfach… getroffen hat. Ein Lichtstrahl, eine Landschaft oder ein flüchtiger Moment.
Hier beginnt das, was rückblickend mehr Bedeutung hatte, als ich damals ahnte.
Als die Schnappschüsse mit Kompaktkameras gemacht wurden
Jeder Fotograf weiß ungefähr, wo das erste Interesse an Fotografie aufkam oder die Idee einer Komposition vor dem inneren Auge aufflammte . Bei mir war es, wie schon oben erwähnt, nicht in der Kindheit. Keine Geschichte von „Ich nahm die Kamera in die Hand und wusste, dass Fotografieren meine Erfüllung wird.“ Auch in meiner Familie wurde nie wirklich fotografiert. Es gab die peinlichen Schnappschüsse der Eltern oder Freunde von den ersten Schritten, einem Weihnachten oder einer Familienzusammenkunft, die später in den Verstaubten Fotoalben meiner Mutter landeten. Aus heutiger Sicht war da sicherlich auch kein Interesse an Fotografie oder die Idee einer Komposition dahinter.
Mein weg in die Fotografie ist unspektakulär und für viele junge Menschen aufgrund der heutigen Technologie auch recht schwer nachzuvollziehen. „Damals“ (ich spreche da nur von knapp 20 Jahren) hatte man nicht an jeder Ecke fantastische Smartphones, mit denen man für sich schon solide Grundsteine für professionelle Fotografie legen kann. Es gab natürlich Fotohandys, jedoch waren die Möglichkeiten bei weitem nicht die, die man heute hat. Ich meine mich zu erinnern, dass mein erstes „Kamerahandy“ ein Sony Ericsson K800i war. Keine Möglichkeiten ISO, Blende oder Belichtungszeit einzustellen. Da gab es den Luxus von „Motivprogrammen“ für die entsprechenden Situationen. Das Handy habe ich aber nicht benutzt, um meine ersten Aufnahmen bei meinem ersten kleinen Abenteuer aufzunehmen.
Im Spätsommer 2006 flog ich erstmals alleine ins Ausland. Wie aufregend! Die große englische Stadt London war das Ziel. Ein völlig neuer Blickwinkel auf Menschen und Umgebung öffnete sich mir, und ich wusste, ich brauche unbedingt etwas, um diesen Urlaub festzuhalten. Zu meinen sieben Sachen im Koffer kam auch die Praktica DCZ 5.5 Digitalkamera meiner Mutter. Ich hatte mich kein bisschen damit beschäftigt, noch wusste ich irgendwas vom Belichtungsdreieck, geschweige denn wie ich es überhaupt einstellen sollte. Da war der Automatik-Modus der Kamera natürlich das Beste überhaupt.
Als das Abenteuer mit einer Kamera begann
Die Reise begann für mich erst so richtig vor dem Ryanair Flieger. Da hab ich das erste Bild geschossen. Dank der Kameraautomatik sah es für mich natürlich super aus. Die Tatsache, dass Datum und Uhrzeit darauf verewigt wurden, war mir damals egal. Ebenso fiel mir nicht auf, wie schief, unscharf und vignettiert das Bild war. Ein tolles Bild, um es später zu zeigen. Im Nachgang haben es letzten Endes maximal fünf Menschen gesehen. Auch für das Auge gibt es keinerlei visuelle Stimulation, außer der knallgelben Schrift des Datums und der Uhrzeit.
Das zog sich durch das ganze „Erlebnis London“. Bei über 900 Bildern ist deutlich zu erkennen, dass auch ich keine Ahnung von Fotografie hatte und mehr geknipst als wirklich fotografiert habe. Der Automatik-Modus hat die Kamera zum glühen gebracht ,um mein Unwissen auszugleichen. Die Bilder sind übrigens nicht nachbearbeitet. Davon hatte ich damals auch keine Ahnung.
Während ich in der Stadt unterwegs war, erkennt man ab und an einen Sinn von Ästhetik oder die Idee einer Komposition, aber das ist definitiv die Seltenheit. Außerdem ist das Städtefotografieren oder „Street Photography“ nie mein Ding gewesen, da war es mir aber noch nicht bewusst.
Wirklich gemerkt habe ich es dann, als ich einen Tagesausflug nach Stonehenge unternommen habe.
Als Landschaften mein Herz eroberten
Stonehenge. Ein Bauwerk aus der Jungsteinzeit im Süden Englands. Man spekuliert, dass es irgendwas mit dem Himmel zu tun haben musste und sich hier Menschen regelmäßig versammelt haben. Auch heute Zieht das kleine Bauwunder noch Menschen an und lässt sie weiter rätseln. So wie mich vor fast 20 Jahren. Ich wollte es sehen, wenn ich denn schon in der nähe war.
Erst Jahre später merkte ich, dass dieser Moment mich für Landschaftsfotografie begeistert hat.
Der Himmel war mit dichten, dicken Wolken behangen und ein leicht diffuses Licht um die Szenerie, wie mit einer Lampe durch den Nebel scheinend. Die Steppe um das Monument vom Wind durchzogen und ich, mitten drin mit der Digitalkamera meiner Mutter. Auf den Bildern erkenne ich heute, dass ich Ideen für gestalterische Bilder hatte, diese aber eher schlecht umgesetzt habe. Auch waren Belichtung, Tiefenschärfe und alles andere, was einstellbar ist, nicht wie ich es heute machen würde, dafür danke ich der Kameraautomatik und meinem Unwissen über das Fotografieren.
Was ich aber trotz der schlechten Bilder genossen habe, das weiß ich noch ganz genau, war das Suchen nach Perspektiven und der Versuch, die Atmosphäre vor Ort einfangen zu wollen. Die Ruhe im Moment und das Einfangen des Augenblicks. Das sind alles Dinge, die ich heute noch an der Landschaftsfotografie liebe. Am besten so weit wie möglich weg von Straßen, Städten und Menschen, damit die Ruhe nicht gestört wird.
In den darauf folgenden fünf Jahren, ist fotografisch nicht viel passiert. Eine Städtereise nach Paris, bei der ich eine Canon PowerShot A620 in meinem Rucksack hatte und ohne nennenswerte Aufnahmen wieder nach Hause kam. Im Nachgang sehen die Bilder aus wie 0815 Handyaufnahmen, um einfach ein paar Momente auf die Schnelle festzuhalten. Die möchte ich an dieser Stelle allen ersparen.
Auch wenn sich fotografisch nichts geändert hat, hat sich in meinem Leben viel getan. Ich konnte nach der Ausbildung in der Chemieindustrie meinen Dienst bei der Bundeswehr antreten. Eine Aufregende Zeit, aber durch die wenige Freizeit nicht sehr geprägt von bildlichen Ergüssen. In der Zeit war ich zwar viel in Deutschland unterwegs, hatte aber nie eine Kamera im Gepäck. Der Platz war reserviert für Ausrüstung, die von Lehrgang zu Lehrgang gefahren werden musste. Außerdem hatte ich zu der Zeit kein eigenes Auto, mit dem ich irgendwo hätte hinfahren können, um ein wenig Kreativität walten zu lassen.
Als ich merkte, dass kompakte Digitalkameras nichts für mich sind
Ich erwähnte die fünf Jahre ohne nennenswerte Fotografie. Anfang 2011 wurde ein Wanderurlaub im wundervollen Irland geplant. Ich wusste während der Planung schon, dass die Landschaften auf dem Wicklow Way sicherlich Balsam für die Seele sein würden. Was wäre also angebracht mitzunehmen? Eine Kamera! Meine eigene, erste Digitalkamera von Kodak, die Z885. Auch da gab es die gleichen Möglichkeiten wie bei den Kompaktkameras zuvor, mit der Automatik und den Motivprogrammen. Damals habe ich mich ein wenig mehr damit beschäftigt und auch tatsächlich mein aller erstes „Panoramabild“ erstellt. Das war mit der Kamera tatsächlich einigermaßen selbsterklärend, da man den äußeren Bildrand des einen Bildes mit dem Rand des „Live-Views“ in Übereinstimmung bringen musste.
Während der Wanderung sind tatsächlich ein paar gute Bilder entstanden, jedoch habe ich damals schon gemerkt, dass es verbesserungsbedarf gibt, und ich beschäftigte mich langsam mehr mit Komposition und Fotografie, aber bei weitem noch nicht ausreichend, um Bilder mit dem „WOW“-Effekt zu erstellen.
Zwei weitere Jahre später hatte ich dieselbe Digitalkamera in Schottland dabei. Diesmal war ich jedoch vorbereitet und hatte sogar ein kleines, klappriges Stativ dabei, um die Verwackler der Vergangenheit bei schlechtem Licht zu verhindern.
Die ersten Bilder entstanden im Flugzeug während des Landeanflugs über den Highlands, und ich freute mich schon darauf, die Berge und Hügel aus der Nähe zu sehen.
Der Grund, weshalb es für mich nach Schottland ging, war wieder eine Langstreckenwanderung über den West Highland Way. Mit einem Zelt im Rucksack und der in Irland bewährten Kodak Z885 in der Tasche war ich bereit, die fast 160 Kilometer auf mich zu nehmen, um tolle Landschaftsbilder zu machen. Nachdem ich mich fotografisch vorbereitet hatte, wusste ich, dass es da sicherlich den ein oder anderen Augenschmaus geben würde, und ich wurde nicht enttäuscht.
In den Low- und Highlands von Schottland konnte ich mit dieser kleinen Kompaktkamera die ersten Fotos machen, die für mich das widerspiegelten, wie ich mich auf dem Weg gefühlt habe. Weite Täler, umringt von hohen Bergen, wie Wächter, die Spalier stehen, nur um mich dem Weg entlang zu führen. Auch meine ersten Berge (oder schottischen „Munros„) habe ich erklommen und Fotografiert. Darunter der Ben Lomond und der höchste von ihnen, Ben Nevis.
Es war in Schottland, als ich die Grenzen der Kodak Kamera spürte. Ich wollte mehr. Teilweise näher an die Berge ran, aber auch mehr von der Umgebung einfangen. Das habe ich mit der kleinen Kompaktkamera nicht so hinbekommen, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Gedanke blieb im Kopf bis zur Landung zurück in Deutschland. Alltag und Militär nahmen wieder überhand, und ich dachte wenig ans fotografieren, bis ein kleiner Zufall mich zu meiner ersten Spiegelreflexkamera brachte.
Welche Reise meine fotografische Lernkurve steil nach oben schießen ließ, welche bitteren Erfahrungen ich machen musste und über die ersten Bilder mit „WOW“-Effekt, erzähle ich im nächsten Kapitel.
© 2025 by Martin M. Hoffmann
